Der Harburger Blutmontag | Kapp-Putsch

1920 kam es in Harburg während des Kapp-Putsches zu einem bewaffneten Kampf. Eine Freikorpstruppe hatte sich in der Heimfelder Mittelschule einquartiert, Harburger Arbeiter stellten sich ihnen entgegen. Es gab 25 Tote, zu denen auch der Freikorps-Hauptmann Rudolf Berthold gehörte.

Bundesarchiv Bild 183 J0305 0600 003 Berlin Kapp Putsch Putschisten 1200 - Der Harburger Blutmontag | Kapp-Putsch
Berlin 1920 | Kapp-Lüttwitz-Putsch | Putschende Soldaten 
Bundesarchiv, Bild 183-J0305-0600-003
CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Der Kapp-Putsch,

auch Kapp-Lüttwitz-Putsch, selten Lüttwitz-Kapp-Putsch, vom 13. März 1920 war ein nach 100 Stunden (am 17. März) gescheiterter, konterrevolutionärer Putschversuch gegen die nach der Novemberrevolution geschaffene Weimarer Republik.

Der Putschversuch brachte das republikanische Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges und zwang die sozialdemokratischen Mitglieder der Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Die meisten Putschisten waren aktive Reichswehrangehörige oder ehemalige Angehörige der alten Armee und Marine, insbesondere der Marinebrigade Ehrhardt, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in reaktionären Freikorps organisierten, sowie Mitglieder der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).

Einen großen Anteil am Scheitern des Putsches hatte, neben der Verweigerung der Regierungsbürokratie und der Uneinigkeit der Militärs über die eigentliche Zielsetzung des Putsches, der folgende Generalstreik, der größte in der deutschen Geschichte.

Am Vormittag des 13. März wurde ein Aufruf des Pressechefs der Reichskanzlei, Ulrich Rauscher, zum Generalstreik im Namen des Reichspräsidenten und der SPD-Minister und -Fraktion verbreitet. Die SPD rief zum Generalstreik auf:

„Arbeiter! Genossen! Wir haben die Revolution nicht gemacht, um uns heute wieder einem blutigen Landsknechtsregime zu unterwerfen. Wir paktieren nicht mit den Baltikumsverbrechern! … Es geht um Alles! Darum sind die schärfsten Abwehrmittel geboten. … Legt die Arbeit nieder! Streikt! Schneidet dieser reaktionären Clique die Luft ab! Kämpft mit jedem Mittel für die Erhaltung der Republik! Lasst allen Zwist beiseite. Es gibt nur ein Mittel gegen die Diktatur Wilhelms II: Lahmlegung jedes Wirtschaftslebens! Keine Hand darf sich mehr rühren! Kein Proletarier darf der Militärdiktatur helfen! Generalstreik auf der ganze Linie! Proletarier, vereinigt euch! Nieder mit der Gegenrevolution!“

Aufruf des Pressechefs der Reichskanzlei, Ulrich Rauscher, zum Generalstreik im Namen des Reichspräsidenten und der SPD-Minister und -Fraktion.

VIDEO


Mit dem Abspielen des Videos akzeptieren Sie unsere Datenschutzerklärung.

Der Harburger Blutmontag

15. März 1920


Rudolf Berthold (* 24. März 1891 in Ditterswind; † 15. März 1920 in Harburg an der Elbe) war ein deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg und Führer eines Freikorps, der sich am Kapp-Putsch beteiligte. Als sein Freicorps in Harburg einmarschierte, stellte sich ihnen eine spontan gebildete Einwohnerwehr aus Arbeitern und Demokraten entgegen. Es kam zu einem Schusswechsel und Berthold unterlag mit seiner Truppe. Während des Prozesses dieser Kapitulation des Freikorps hatte seine Einheit mehrfach ohne Ankündigung in eine Gruppe Harburger Arbeiter geschossen. Danach wurde Berthold von einer wütenden Menschenmenge misshandelt und dabei durch mehrere Schüsse getötet.

Seite „Rudolf Berthold (Jagdflieger)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Januar 2020, 00:25 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rudolf_Berthold_(Jagdflieger)&oldid=196252456 (Abgerufen: 4. März 2020, 12:52 UTC)
  • Rudolf Berthold wurde in der Freikorpsliteratur als Märtyrer verklärt, der durch „roten Lynchmord“ ums Leben gekommen sei. [ Historisches Lexikon Bayerns ]

Anfang 1920 wurde das Berthold-Freikorps zur Demobilmachung ins Innere Deutschlands verlegt. Im Kehdinger Land bei Stade, vor den Toren Hamburgs, quartierte sich das Korps ein. Berthold widersetzte sich jedoch jedem Befehl zur Entlassung. Er entwickelte eine rege Tätigkeit in nationalistischen Militärkreisen und beabsichtigte eine Militärdiktatur nach dem Vorbild Horthys in Ungarn aufzubauen.

Am 13. März 1920 begann der erwartete Putsch mit dem Einmarsch der Brigade Ehrhardt in Berlin unter dem Kommando von General Walther von Lüttwitz. Die Putschisten hatten den Landschaftsdirektor Kapp als Reichskanzler eingesetzt. Berthold beschloss, sich mit seinen Offizieren am Putsch zu beteiligen.

Das erste Ziel Bertholds war Harburg. In der auf der Strecke nach Hamburg liegenden preußischen Stadt Harburg (Elbe) waren bereits die mit dem Kapp-Putsch sympathisierenden Offiziere des dort stationierten etwa 900 Mann starken Pionier-Bataillons verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Die Unteroffiziere und Mannschaften hatten sich nach der Festnahme ihrer Offiziere für die Republik erklärt. Berthold beabsichtigte die Wiederherstellung der Befehlsgewalt der Offiziere und die Entfernung aller regierungstreuen Soldaten. Außerdem plante er, seine Leute dort aus Beständen der Reichswehr auszurüsten.

In Harburg waren die „Baltikumer“ gezwungen, in der Schule Woellmerstraße Quartier zu beziehen. In Verhandlungen wurde Berthold sowohl von sozialdemokratischer als auch von bürgerlicher Seite aufgefordert, mit seiner Truppe ohne Halt direkt nach Berlin zu fahren. Berthold lehnte dies ab. Er machte einen Abzug von Bedingungen abhängig. Daraufhin radikalisierte sich die Stimmung in der Stadt – insbesondere in der Arbeiterschaft.

Die Schule in der Woellmerstraße im Stadtteil Heimfeld wurde von Schaulustigen, Angehörigen eines meuternden Pionier-Bataillons, und von der inzwischen bewaffneten und unter sozialdemokratischer Führung stehenden Miliz belagert. Berthold forderte: „Platz frei – es wird geschossen.“ Mit Maschinengewehr wurden Warnschüsse über die Köpfe der Menge gegeben. Das Feuer wurde erwidert, worauf Bertholds Freikorps in die fliehende Menge schoss. Mehrere Menschen brachen tot oder verwundet zusammen. Die Schule wurde unter Dauerbeschuss genommen.

„Das Gebäude der Heimfelder Mittelschule sieht innen und außen wüst aus. Von den Fenstern ist kaum eins auch nur einigermaßen heil geblieben. Die Mauern und Türen weisen starke Spuren der Schießerei auf. […] Die letzten Leichen sind heute Morgen aus der Schule herausgeschafft worden.“

„Harburger Anzeigen und Nachrichten“, 16. März 1920 | Kompletten Artikel lesen

Berthold war zu Kapitulationsverhandlungen gezwungen, die der „Eisernen Schar“ nach Abgabe aller Waffen freien Abzug zurück nach Stade gewähren sollten. Während der Waffenabgabe fielen wieder Schüsse, „die anscheinend von Baltikumern aus dem Hinterhalt abgegeben“ wurden – so die bürgerliche Harburger Anzeigen und Nachrichten am 16. März 1920. Tatsächlich lässt sich nicht zweifelsfrei klären, von welcher Seite die Schüsse abgefeuert wurden. Jedenfalls flammte erneut ein Schusswechsel auf. Die Baltikumer mussten wegen Munitionsmangel nach kurzer Zeit das Feuer einstellen. Dennoch hatte die Aktion zu einer außerordentlichen Erregung und Erbitterung der überwiegend unbewaffneten Menge geführt. Denn nach ihrer Wahrnehmung hatte die Eiserne Schar zweimal in eine nichtsahnende Menge geschossen. Die Menge fing an, auf die abziehenden Soldaten einzuschlagen.

Berthold versuchte in ein Wirtshaus zu fliehen. Ein Teil der wütenden Menge verfolgte ihn und holte Berthold aus dem Gebäude heraus. Als er auf der Straße geschlagen und getreten wurde, zog Berthold eine kleine Pistole, um sich zu verteidigen. Die Pistole wurde ihm jedoch entrissen und damit auf ihn geschossen. Außerdem trafen ihn zwei Gewehrschüsse. Der am 16. März 1920 ausgestellte Totenschein wie auch der Obduktionsbericht verzeichneten zwar schwere, jedoch keineswegs tödliche Quetschungen durch Schläge, Tritte und möglicherweise Kolbenhiebe. Getötet wurde er durch die Schüsse.

Während die „Baltikumer“ außer Berthold zehn Tote verzeichnen, starben auf Seiten der Harburger 14 Personen. Beide Seiten hatten jeweils etwa 20 zum Teil schwer Verletzte.

Auf Beschluss aller Parteien in der Bezirksversammlung Hamburg-Harburg im Jahr 2007, wurde an der Schule eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer des „Harburger Blutsonntags“ angebracht.

Via Seite „Kapp-Putsch“.
In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. 
Bearbeitungsstand: 3. März 2020, 09:47 UTC.
URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kapp-Putsch&oldid=197369139 
(Abgerufen: 4. März 2020, 12:49 UTC) 

Artikel weiterempfehlen | SOCIAL MEDIA anonym durch Einsatz des c't-Projektes Shariff

Harburger Kultur | Artikel-Tipps