CLAUS GÜNTHER | Harburger Zeuge der NS-Zeit | Portraitreihe von ARD-Alpha

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Claus Günther | Gestern - Heute

Was bleibt, wenn die letzten Zeuginnen und Zeugen nicht mehr am Leben sind? Wie kann auch den nachfolgenden Generationen nachhaltig vermittelt werden, was während der NS-Zeit geschah? Diese Fragen gaben den Anstoß für die Portraitreihe „Zeuge der Zeit“ von ARD-Alpha. Die Filme widmen sich ohne Ablenkung den Worten der Überlebenden – ihren Erlebnissen und Gefühlen.


Jeder Interviewfilm der Filmautoren Andreas Bönte und Michaela Wilhelm-Fischer im Sinne einer „Oral History“ ist ausschließlich einem Zeitzeugen gewidmet. Teilweise berichten diese hier zum ersten Mal so ausführlich, was geschah. Der gezielte, reduzierte Einsatz von Archivbildern und bewusst gewählte, zurückhaltende Musikakzente rahmen die Worte ein. Die fast unmerkliche Kamera lässt den Menschen erzählen. Nah, intensiv und fokussiert. Geschichten, die bleiben und ohne Zeigefinger zum Frieden mahnen.

Eines Tages werden sie verstummen: die Stimmen der Zeitzeugen, die aus eigenem Erleben von den Verbrechen der NS-Zeit berichten. Wie wird sich die Erinnerungs- und Gedenkkultur verändern, wenn es keine Menschen mehr gibt, die ihre Leidensgeschichte aus erster Hand erzählen?

Claus Günther (Hamburg-Harburg)

Im 25. Jahr seiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei den Zeitzeugen (www.zeitzeugen-hamburg.de) besucht er – inzwischen 90 – nach wie vor Schulen, um über die unselige NS-Zeit zu berichten und sich den Fragen der Heranwachsenden zu stellen.

VIDEO | Claus Günther – Wir fühlten uns stark | ARD-alpha, 2021

Seine Vorbilder hießen Hitler, Göring und Goebbels. Seine Schulbücher waren bebildert mit Helden in Naziuniformen. Seine Überzeugung war es, einer überlegenen „arischen Herrenrasse“ anzugehören – denn das erzählten die Wissenschaftler jener Zeit. Claus Günther war damals Kind. Er kannte nichts anderes. Aber nach Kriegsende erfährt er, welche zerstörerische Wirkung die Nazi-Ideologie hatte.
Weshalb haben so viele Menschen mitgemacht? Wie konnte die Menschenverachtung des diktatorischen NS-Systems zum Ideal werden? Der Bericht von Claus Günther bringt manches Licht ins Dunkel. Bei Kriegsende ist Claus Günther 14 Jahre alt. Die Jahre zuvor aber waren wie ein verführerisches Abenteuer. Er gehörte zu einer Masse. Er fühlte sich stark.

Zum Beispiel, als er Adolf Hitler mit eigenen Augen bei der Schiffseinweihung des KdF-Kreuzfahrtschiffes „Wilhelm Gustloff“ an den Hamburger Landungsbrücken sah und inmitten einer wogenden und jubelnden Menschenmasse stand. Sein Vater trug in SA-Uniform die Fahne, als während der Novemberpogrome 1938 die Harburger Synagoge zerstört wurde.

Nach Kriegsende erfährt Claus Günther, dass seine eigenen jüdischen Nachbarn im Konzentrationslager ermordet wurden. Bis heute schämt er sich dafür, als 10-Jähriger jene Nachbarn antisemitisch beschimpft zu haben. Seit vielen Jahren ist Claus Günther gerade durch diese Erkenntnisse ein Kämpfer für Demokratie und mahnt, stets wachsam zu beobachten, was im eigenen Umfeld geschieht:

„Das Schlimme ist: Es waren sogenannte normale Menschen: Der Friseur, der da die Synagoge mit zerstört hat. Das ist es also, was eine Diktatur mit Menschen machen kann.“

Claus Günther

Young meets old macht “Heile, heile Hitler” lebendig

Schüler:innen aus Hamburg haben trotz Corona einen Zeitzeugen interviewt und einen Podcast über die Erinnerung an eine Kindheit in der Nazi-Zeit produziert. [ mehr Infos auf tidenet www.tidenet.de/tide/aktuelles/young-meets-old ]

Selten erzählte jemand so schonungslos ehrlich und selbstreflektiert von der „Nazizeit von Innen“ wie Claus Günther. Seine fast fotografische Beobachtungs- und Erinnerungsgabe macht diesen persönlichen Lebensbericht zu einem wichtigen Zeitdokument, das zum Frieden mahnt.

Claus Günther

Kind sein im Harburg der Nazis, das schmeckt nach vergifteten Gedanken, getuschelten Worten und aufgerissenen Augen. Worüber hat der Zeitzeuge Claus Günther jedoch auch gestaunt und gelacht, als er so alt war wie die Schüler:innen heute? Welche Fragen stellte er sich damals und welche Antworten findet er heute? Hamburger Geschichte zum Hören und Diskutieren, persönlich und ehrlich, bringen Schüler:innen und der Zeitzeuge mit ihrer gemeinsamen Podcast-Serie direkt ins Radio.

AUDIO | Podcast-Folge 3 – Verfolger – Verfolgter (1938)

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Erst der Gleichschritt, dann die Rauchschwaden nahe der Harburger Synagoge: Als Siebenjähriger steht Peter nachts am Fenster und weiß, dass hier irgendwas nicht stimmt. Im Interview reflektiert der Zeitzeuge, wie die Pogromnächte 1938 auf ihn wirkten und wie Antisemitismus schon Kindern anerzogen wurde.


Was bleibt, wenn die letzten Zeuginnen und Zeugen nicht mehr am Leben sind? Wie kann auch den nachfolgenden Generationen nachhaltig vermittelt werden, was während der NS-Zeit geschah? Diese Fragen gaben den Anstoß für die Portraitreihe „Zeuge der Zeit“ von ARD-Alpha. Die Filme widmen sich ohne Ablenkung den Worten der Überlebenden – ihren Erlebnissen und Gefühlen.


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