Die Ausstellung, die zum 90. Geburtstag von Tomi Ungerer eröffnet wird, präsentiert knapp 400 Exponate und wirft ein neues Licht auf Ungerers Werk, indem sie die politischen und stilistischen Linien und Brüche in seiner künstlerischen Dimension nachvollziehbar macht.
Collage „Pride and Prejudice“, (2012, Stolz und Vorurteil, Ausschnitt) von Tomi Ungerer (Sammlung Philipp Keel, © Diogenes Verlag AG, Zürich/Tomi Ungerer Estate)
In der großen Ausstellung TOMI UNGERER – IT’S ALL ABOUT FREEDOM zeigen die Deichtorhallen Hamburg in der Sammlung Falckenberg in Zusammenahttps://amzn.to/2ZbxzI9rbeit mit dem Tomi Ungerer Estate und dem Musée Tomi Ungerer in Straßburg erstmals einen umfassenden Querschnitt durch neun Jahrzehnte seines künstlerischen Schaffens – von Zeichnungen aus den 1930er-Jahren bis hin zu Objekten aus den 2010er-Jahren.
Die Ausstellung, die zum 90. Geburtstag von Tomi Ungerer eröffnet wird, präsentiert knapp 400 Exponate und wirft ein neues Licht auf Ungerers Werk, indem sie die politischen und stilistischen Linien und Brüche in seiner künstlerischen Dimension nachvollziehbar macht.
Mit zahlreichen unveröffentlichten Arbeiten sensibilisiert sie zudem für die künstlerische Dimension seines umfangreichen Werkes, das etwa Bezüge zu Otto Dix, Lyonel Feininger und John Heartfield, aber auch zu Martin Kippenberger und Martha Rosler aufweist.
»Tomi Ungerer ist ein Goya der Zivilisation. Neben ihm ist der George Grosz der zwanziger Jahre ein Idylliker.«
Georg Hensel
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Sammlung Falckenberg, Hamburg | 27.11.2021 bis 24. April 2022
Tomi Ungerer.
It’s All About Freedom
Pressetext: Deichtorhallen Hamburg Kuratorinnen: Thérèse Willer, Direktorin Musée Tomi Ungerer – Centre International de I'Illustration Aria Ungerer, Kuratorin und künstlerische Leiterin Tomi Ungerer Estate
KATALOG | TOMI UNGERER.
It’s All About FreedomKlappenbroschur
264 Seiten,
180 Abbildungen
Hatje-Cantz Verlag
Sprache: Deutsch, Englisch
22,50 x 28,50 cmDer Katalog zeigt einen Querschnitt durch alle Schaffensphasen des Künstlers – von der Kindheit bis zu späten Collagen und Objekten. Ein thematischer Strang spürt den Verbindungen zwischen Motiven aus Ungerers Kinderbüchern und Motiven aus dessen politischen sowie biographischen Büchern nach. Zudem werden bisher nicht veröffentlichte Werke und Werkgruppen aus dem Nachlass Ungerers zu sehen sein.
Tomi Ungerer (1931–2019)
gilt als einer der einflussreichsten Zeichner, Illustratoren und Kinderbuchautoren. Publikationen wie Die drei Räuber, Heute hier, morgen fort und Der Nebelmann machten ihn weltberühmt. Darüber hinaus schuf Ungerer Plakate gegen den Vietnam-Krieg und Rassenkonflikte, unternahm Milieustudien in der Hamburger Herbertstraße, verarbeitete zeichnerisch kriegstraumatische Erinnerungen oder erstellte Großcollagen im Spätwerk.
In Ungerers Werken sind die Grenzen zwischen angewandter. Illustrierender und freier Kunst gleichsam aufgehoben: Sich zwischen Zeichnung, Collage und Assemblage bewegend, zeigt sich Ungerer als »free-wheeling artist«, der seiner Suche nach der Condition humaine nachgeht. In der Ausstellung wird dies nicht zuletzt durch Filme mit und über Tomi Ungerer dokumentiert.
Tomi Ungerer: Give, Plakat gegen den Vietnamkrieg, 1967, Offset-Druck, 68 × 53 cm, Sammlung Musée Tomi Ungerer – Centre international de l‘Illustration © Diogenes Verlag AG, Zürich/Tomi Ungerer Estate Foto: Musées de la Ville de Strasbourg/Mathieu Bertola
Ein thematischer Strang der Ausstellung in der Sammlung Falckenberg spürt den Verbindungen zwischen Motiven aus Ungerers Kinderbüchern und Motiven aus seinen gesellschaftspolitischen sowie biographischen Büchern nach.
Gezeigt werden außerdem unveröffentlichte Werke und Werkgruppen aus dem Frühwerk als auch Vorstudien für Bücher oder Beobachtungen aus seiner Zeit in den USA, Kanada und Südirland. Der Großteil der Werke stammt aus dem Tomi Ungerer Estate in Cork, Irland und wird durch eine umfassende Auswahl aus dem Musée Tomi Ungerer-Centre international de l’Illustration sowie zusätzliche Leihgaben aus Galerien und Privatbesitz ergänzt.
Ein speziell für Kinder eingerichteter Raum präsentiert die zeichnerische Erzählwelt der Kinderbücher Ungerers. „Ungerers Bücher gehörten ab Mitte der 1960er zur Standardausstattung eines aufgeklärten Kinderzimmers. Noch heute kennen fast alle Kinder sein antiautoritäres Buch „Die drei Räuber“, in dem das Waisenkind Tiffany eine Räuberbande zu Sozialisten macht, die mit ihrer Beute eine ganze Stadt für Waisenkinder bauen.“ [ taz ]
Darüber hinaus sind Filme mit und über Tomi Ungerer in der Ausstellung zu sehen. Der unmittelbare Bezug zur Sammlung Falckenberg wird in der Ausstellung mit ausgewählten Exponaten aus der Sammlung eindrucksvoll veranschaulicht.
VIDEO DOKUMENTATION | Far out is not far enough
Das wilde, lebenslange Abenteuer eines Mannes, der mit seiner subversiven Kunst die Grenzen der Gesellschaft austestet. Dieser gefeierte Film kombiniert traditionelle dokumentarische Erzählungen mit Originalanimationen, die aus sieben Jahrzehnten Kunst des abtrünnigen Kinderbuchautors und Illustrators stammen.
Der Film nutzt eine Palette von Ereignissen des 20. Jahrhunderts, um die epische und zugleich kontroverse Lebensgeschichte eines Künstlers zu malen, und bietet eine Retrospektive von Ungerers Leben und Kunst, und sinniert über die Komplexität und Widersprüche eines Mannes, der, bewaffnet mit einem bissigen Witz, einem anklagenden Finger und einem messerscharfen Bleistift, den revolutionären Stimmen während einer der quälendsten und dramatischsten Perioden der amerikanischen Geschichte eine visuelle Darstellung gab.
DVD | Bonus Features beinhalten: – Tomi Ungerer & Jules Feiffer bei der Society of Illustrators – Maurice Sendak kritisiert The King’s Speech – Tomi Ungerer in Irland – Gelöschte Szenen – Kommentar des Regisseurs.
Das Werk Ungerers ist stark von den politischen Ereignissen seiner Zeit beeinflusst. In der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Ungerer die gegenseitigen Sprachverbote der deutschen und französischen Regierung in Straßburg. In der Grenzregion aufgewachsen verlor Ungerer seine kulturelle und gesellschaftliche Zugehörigkeit. Dieser Verlust der kulturellen Identität prägte Tomi Ungerer sein ganzes Leben.
1956 ging er nach New York, wo er unter anderem Plakate für die New York Times gestaltete. In Underground Sketchbook (1964) und The Party (1966) karikierte er die amerikanische Gesellschaft.
BUCH | The Party
Taschenbuch
128 Seiten
Herausgeber : Diogenes; 1. Edition (27. Oktober 2009)
Sprache : Deutsch
Originaltitel : The Party
22.9 x 1.5 x 30 cm
Interessante Ähnlichkeiten zu Arbeiten des Hamburg-Harburger Künstlers HEINO JAEGER, entstanden ca. Ende der 1960er Jahre und evtl. inspiriert durch die „Party-Zeichnungen“ von Ungerer.
„1969 erschien Fornicon, das später in England verboten wurde. Die Karikaturen stellten Potenzwahn, Sexismus und Gier bloß. Seine Drastik und Radikalität blieben immer die Mittel eines Moralisten. Die Ironie der dargestellten sexuellen Praktiken basierte auf dem Prinzip der Übertreibung und dem Übermaß einer noch nie gesehenen Technisierung und Mechanisierung sexueller Wünsche. Ungerer war daher nicht nur mit der Prüderie in den USA und England konfrontiert, sondern später auch mit der Rachsucht der Ostküsten-High-Society.“ ( wikipedia )
„Für einen Heranwachsenden war es Anfang der 70er Jahre ein Schock und eine Offenbarung zugleich, als hierzulande über den links-subversiven Zweitausendeins Verlag der Band „Fornicon“ von Tomi Ungerer vertrieben wurde. Er enthielt drastisch sexualisierte Darstellungen, auf die Spitze getriebene Fantasien über Sexspielzeuge und seltsam anmutende Befriedigungsmaschinen.“
[ Aus dem Nachruf von Harry Nutt für die Franfurter Rundschau | Nachruf lesen ]
„Eine tiefschwarze Satire auf allen sexuellen Aufklärungs- und Emanzipations-Optimismus.“
[ Der Spiegel ]
BUCH | FORNICON
Taschenbuch, Hardcover Broschur
127 Seiten
Herausgeber: Diogenes Verlag (1. Januar 1971)
Sprache: Deutsch»Goya zeichnete 82 Blätter über die Schrecken des Krieges. Ungerer ist ein Goya der Zivilisation, seine 62 Blätter ›Fornicon‹ informieren über einen Krieg der Geschlechter, der nur Verlierer kennt. Neben ihm ist der George Grosz der zwanziger Jahre ein Idylliker.« ( Walther Killy )
Ungerers Gesellschaftskritik stieß jedoch auf wenig Akzeptanz und veranlasste ihn, mit seiner Familie nach Kanada zu ziehen.
„Meine Satiren waren härter geworden, das konnten die Amerikaner nicht akzeptieren. Ich wurde im Kongress attackiert, wie ich es wagen könne, Kinderbücher mit erotischen Zeichnungen zu machen. Ich habe geantwortet, dass es ohne Sex nun mal keine Kinder gäbe. Danach war ich in Amerika erledigt. Bis vor acht Jahren standen meine Bücher auf der schwarzen Liste.“ [1993]. „Seit damals bin ich allergisch gegen Amerika, aber nicht gegen die Amerikaner, schließlich ist meine Frau Amerikanerin.“ (Tomi Ungerer, 26. November 2001)
1976 siedelte er mit seiner Frau Yvonne Wright und den gemeinsamen Kindern auf eine Farm nach Südirland um, wo er – unterbrochen von einem mehrmonatigen Rechercheaufenthalt zu seinem Buch Schutzengel der Hölle (1986) in den Achtzigerjahren in Hamburg – bis zu seinem Tod lebte und arbeitete.
1985 wohnte er für einige Monate in Hamburg bei der damals als Domina tätigen Domenica Niehoff, um sich Anregungen für einen Bild- und Interviewband über BDSM-Praktiken zu holen:
BUCH | Schutzengel der Hölle
Kunst, Cartoon, Fotografie
Hardcover Gebunden
22 × 27 cm
128 Seiten»Für den ›normalen‹ Menschen ist eine Folterkammer die Hölle. Doch für andere Menschen ist die normale alltägliche Welt eine Hölle und die Folterkammer eine Zufluchtszelle, von der Außenwelt abgeschirmt duch eine beschützende Domina – einen Schutzengel der Hölle. Mich beschäftigt hier die Frage, die ich mir mein ganzes Leben immer wieder gestellt habe: Was ist normal?« ( aus dem Vorwort )
Tomi Ungerer und sein Galerist Daniel Keel bei einer Vernissage in der Galerie Keel, 1974. (Sammlung Philipp Keel, © Diogenes Verlag AG, Zürich/Tomi Ungerer Estate)
TOMI UNGERER (1931–2019)
Tomi Ungerer, 1931 in Straßburg geboren und 2019 im irischen Cork gestorben, lebte und arbeitete von 1956 bis 1971 in New York und verbrachte dann einige Jahre in Nova Scotia, Kanada. Seine Arbeiten wurden in vielen Einzelausstellungen gezeigt, u.a. im Museum Folkwang, Essen (2016), Kunsthaus Zürich (2015), Museum Wilhelm Busch, Hannover (2014), Caricatura Museum für Komische Kunst, Frankfurt (2012), Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall (2010), Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg (1999) und Deutsches Historisches Museum, Berlin (1999)
VIDEO | Tomi Ungerer: Verspielt, ironisch, voller Abgründe | Nachruf 3sat
Video verfügbar bis 12.02.2024
Abb.: Tomi Ungerer, Journey's last leg. 2008, Collage (Copyright: Diogenes Verlag AG / Tomi Ungerer Estate)
SAMMLUNG FALCKENBERG
Die Sammlung Falckenberg ist eine Dependance der Deichtorhallen und kann unter besonderen Vorkehrungen zur Einhaltung der Kontaktbeschränkungen innerhalb der üblichen Öffnungszeiten zu den normalen Eintrittspreisen besucht werden.
TOMI UNGERER
Ausstellung bis 24. April 2022
Bitte beachten Sie die Informationen zum Schutz- und Hygienekonzept des Veranstaltungsortes, zur Eindämmung der Corona-Epidemie.