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MONICA BOHLMANN – Bruchstellen

Im Spannungsfeld von Handarbeit und computergesteuerter Maschinenpräzision verklammert die Hamburg-Harburger Künstlerin MONICA BOHLMANN Vergangen-Antiquiertes und den neuesten Stand der technischen Moderne als Arbeitstechniken | Knochen, Blutbahnen, Organe: der „anatomisch geöffnete Körper trifft auf Schönheit & Jugend“.

Monica Bohlmann | Wie aus einem Setting von American Horror Story

In 2020 gab es die bislang letzte Retrospektive der großartigen, vermutlich neben Hanne Darboven interessantesten, Künstlerin im Hamburger Süden: Monica Bohlmann im Hamburger WESTWERK. In den unterschiedlichsten Medien wie Zeichnung, Malerei und Skulptur wird verlorenen Utopien und zerstörerischen Idealen nachgegangen. Dabei kontrastieren die besondere Wertigkeit in der handwerklichen Ausführung mit der Brüchigkeit des künstlerischen Narrativs.


Skulptur, Malerei, Zeichnung

„Die Arbeiten Monica Bohlmanns verbinden die klassische (Hoch-)Kunst der Malerei im Wechsel mit der traditionell als typisch weiblicher Tätigkeit angesehenen Handarbeitstechnik des Stickens zu ungewöhnlichen Blicken auf Geschlechteridentitäten. Dafür kombiniert sie die traditionelle Form der Handarbeit mit aufwändigen Computerstickprogrammen und bringt sie teils ins Skulpturale.

Die magische Kraft der Nadel

Inspiriert sind diese Arbeiten vermutlich vom textilen Werk, der Louise Bourgeois, die im Alter von über achtzig Jahren begann, ähnliches zu produzieren.

In den von ihr überarbeiteten Hochglanzfotografien offenbart sie die Fragwürdigkeit von Normierungen, die Weiblichkeit und Schönheit in ein regelgerechtes (Körper-)Korsett zwängen und sie zu Symmetrie und Perfektion verdammen. So kombiniert Monica Bohlmann Frauenbilder aus der vermeintlich schönen Werbewelt mit der Bearbeitung durch Übernähungen und entkleidet das un-menschliche Schönheitsideal, das unsere Wahrnehmung im Alltag bombardiert. Sie legt die Fragilität und Verletzlichkeit stereotypisierter Modellbilder frei und hinterfragt, inwieweit individuelle Selbstverwirklichung und -verortung im Kontext gegebener gesellschaftlicher Bedingungen überhaupt möglich sind.

In den unterschiedlichsten Medien, wie Zeichnung, Malerei und Skulptur wird verlorenen Utopien und zerstörerischen Idealen nachgegangen. Dabei kontrastieren die besondere Wertigkeit in der handwerklichen Ausführung mit der Brüchigkeit des künstlerischen Narrativs.

Monica Bohlmann studierte Malerei in Hamburg und Belo Horizonte (Brasilien) und ist Mitbegründerin der legendären Off-ProduzentenGalerie SCHAURAUM in Harburg (November 2005 bis Dezember 2016, leider mittlerweile geschlossen ) und der Künstler:innengruppe artplacement hamburg.“

Anja Ellenberger, Hamburg im September 2020
( Kunst- & Filmhistorikerin, freie Kuratorin )


Anatomie und Mode

VIDEO | NDR 10-2011

Im Spannungsfeld von Handarbeit und computergesteuerter Maschinenpräzision verklammert die Hamburg-Harburger Künstlerin MONICA BOHLMANN Vergangen-Antiquiertes und den neuesten Stand der technischen Moderne als Arbeitstechniken | Knochen, Blutbahnen, Organe: der „anatomisch geöffnete Körper trifft auf Schönheit und Jugend.

Hamburg Journal | Bericht: Ralph Alexowitz | Kamera: Thomas Wolf | Schnitt: Christiane Herrmann

„Einerseits scheinen sie von der lichten und warmen Welt der Frauen, von Themen wie Geburt, Weiblichkeit und Schönheit durchtränkt, was sich auch in anschmiegsamen, weichen Materialien und Tüchern wie Leinen, Wattevlies oder dem Verwenden schützenden Wachses spiegelt, andererseits führen sie durch das Aufdrucken starker digitaler Fotomotive inhaltlich montierte Irritationen ein, Schockmomente, die sich dem Auge manchmal erst auf den zweiten Moment vollständig in ihrer Bedeutung enthüllen.

Vielleicht ist es angesichts des „konfrontativen Ansatzes“ von Monica Bohlmann kein Zufall, dass das Sticken ihre nachhaltige Aufmerksamkeit gewonnen hat, dass die Künstlerin mit der Nadel zu malen beginnt, in die Fläche vordringt und aus dem Zusammen von Maschine und Hand ihre Arbeiten schafft: Früher war das Nähen eine domestizierende Tätigkeit für die Frau am heimischen Herd: Harmlos, weiblich, nützlich.

Bohlmann bedient sich dieses tradierten Kontextes, um Themen, die die Welt der Frauen um so nachhaltiger aufbrechen, als überraschenden Sprengsatz einzuführen und den Horizont des weiblichen Gefängnisses zu transzendieren: In die sublime Eleganz der Modewelt und Modefotografie schreibt Bohlmann die Endlichkeit des menschlichen Körpers in seiner radikalsten Form ein, indem sie digital bearbeitete Modebilder mit Anatomie bestickt –

Knochen, Blutbahnen, Organe: der „anatomisch geöffnete Körper“ aus der Serie „Mädchen, Models, Ikonen“ mahnt so nicht nur an eine Pseudo-Wissenschaftlichkeit, sondern vor allem an das durch Schönheit und Jugend Verdrängte – nämlich den Tod, ist „Vanitas-Motiv“ und „Memento Mori“ zugleich.

Dass, was die Perfektion der Modefotografie zu überdecken scheint, tritt durch das Aufsticken radikal in den Vordergrund: Die vermeintliche harmlose „Weiblichkeit“ und Konsumierbarkeit der Arbeiten von Monica Bohlmann wird so gebrochen und ironisch subvertiert.“

Mit freundlicher Genehmigung von
Dr. Stefanie Maeck


MONICA BOHLMANN

www.monica-bohlmann.com


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